06.07.2019

Aladdin

Apollo Theater, Stuttgart

Aladdin
Dschinni
Jasmin
Dschafar
Kassar
Babkak
Omar
Jago
Sultan
Razoul
Prinz Abdullah
Wahrsagerin

Philipp Büttner
Tobias Weis
Nienke Latten
Jochen Schmidtke
Nicolas Boris Christahl
Rafaël van der Maarel
Robin Cadet
Eric Minsk
Claus Dam
Andrew Waters
Devon Braithwaite
Harriet Millier


Vollständige Besetzung


Erst waren wir im Kongo, dann in Paris und nun führte uns das dritte Disney-Musical nach Agrabah: Eine sagenumwobene Stadt im Orient – die überhaupt nicht existiert. Dschinni (Tobias Weis), der zunächst als arabischer Händler auftrat, nahm das Publikum mit in diese Stadt und erklärte, wofür sie bekannt war. Er kramte in den Taschen seiner weiten Pumphose und zog einen großen Mercedes-Stern heraus. "Heilig’s Blechle!" rief er verwundert und fing an zu singen: "Einen Stern, der deinen Namen trägt …". Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte: Die Wunderlampe. Und den Beginn einer magischen Geschichte …

Auf dem Basar von Agrabah herrschte buntes Treiben: Das Ensemble wirbelte über die Bühne, schlug Räder und machte Flick Flacks. Die Tanzchoreografien waren atemberaubend, besonders wenn die Tänzer auf einem Knie rutschten und man sich fragte, ob es nicht doch Teile auf dem Boden waren, die sich bewegten.

Mitten in diesem Treiben war Aladdin auf der Flucht vor den Palastwachen. Philipp Büttner gab den Titelhelden als charmanten jungen Mann mit großem Herz, der am liebsten der Welt beweisen wollte, dass mehr in ihm steckte als ein Dieb, der einen Laib Brot klaute.

Begleitet wurde er von seinen Freunden – einem unerschrockenen, witzigen und ziemlich chaotischen Trio. Allen voran Kassar (Nicolas Boris Christahl), der zwar stets den Ton angeben wollte, auf den jedoch niemand hörte. Der Zweite im Bunde, Babkak (Rafaël van der Maarel), dachte immer nur ans Essen. Als Kassar über Aladdin sagte: "Er hat einen an der Waffel", fragte Babkak hoffnungsvoll: "Es gibt Waffeln?" In einer anderen Szene geriet er verträumt ins Schwärmen: "Ich war in meinem Leben zweimal verliebt. Das erste Mal in eine Schwarzwälder Kirschtorte. Ok, das zweite Mal auch …" Und schließlich war da noch der Schöngeist Omar (Robin Cadet), der vor allem durch seine urkomische Mimik und sein schauspielerisches Talent auffiel. Als die drei gegen die Palastwachen kämpften, tanzte Omar einfach mal einen Limbo unter der langen Stabwaffe hindurch.

Dschafar, der intrigante Großwesir des Sultans, wurde von Jochen Schmidtke verkörpert. Mit seiner eindrucksvollen, dunklen Stimme und in seinem schwarzen Gewand mit dem vampirähnlichen Umhang war er eine finstere Erscheinung. Als er in seinem Buch nach einem Weg suchte um selbst Sultan zu werden, blätterten sich die Seiten auf einmal wie von Geisterhand um und begannen zu leuchten.

Ihm zur Seite stand – oder besser gesagt: kroch – sein unterwürfiger Diener Jago (Eric Minsk). Dieser war ziemlich durchgeknallt und das genaue Gegenteil von Dschafar. Er quatsche ununterbrochen mit seiner hellen und beinahe krächzenden Stimme, sodass selbst sein Meister meinte, wenn er jemanden andauernd reden hören wollte, könnte er sich auch einen Papagei zulegen. Der erfahrene Disney-Zeichentrickfilm-Schauer wusste natürlich, dass Jago im Film tatsächlich ein sprechender Papagei ist. Besser hätte man diese Charaktere auf der Bühne nicht umsetzen können!

Prinzessin Jasmin wurde von Nienke Latten dargestellt. Sie hatte eine kraftvolle Stimme und überzeugte als unabhängige junge Frau, die sich ihrem Vater und dessen Befehl endlich einen Prinzen zu heiraten, widersetzte. Sie fragte voller Überzeugung, warum es nicht auch mal eine Königin geben sollte. Daraufhin kommentierte Jago spöttisch: "Warum nicht gleich eine Kanzlerin?"

Von Dschafar überredet und bedroht, machte sich Aladdin auf den Weg zur Wunderhöhle, dem imposanten Kopf einer Raubkatze, die ihr Maul öffnete um den "ungeschliffenen Diamanten" eintreten zu lassen. Schon bald fand Aladdin die Wunderlampe, doch er konnte entgegen aller Warnungen seine Hände nicht von den "verbotenen Schätzen" lassen. Unter Donnern und Blitzen stürzte die Höhle ein und Aladdin war gefangen. Er rieb an der Wunderlampe um eine Inschrift zu entziffern, doch plötzlich fing sie an zu rauchen und ein Geist tauchte vor ihm auf. "Kommst du aus der Lampe?" fragte Aladdin verwundert. "Nein, aus Degerloch", erwiderte Dschinni, "Natürlich komme ich aus der Lampe!"

Doch er bemerkte ziemlich schnell, dass sein neuer Meister überhaupt nicht verstand, welches große Los er gezogen hatte und dass er drei Wünsche frei hatte. Mit ein bisschen Zauberei verwandelte er die Höhle in eine Art Las Vegas-Show. Er ließ Bauchtänzerinnen auftreten, ein großes Buffet auffahren und Aladdin alleine gegen Ali Babas Räuber kämpfen. Er stimmte Lieder aus "Die Schöne und das Biest", "Arielle" und "Pocahontas" an und auf einmal regnete es Luftschlangen von der Decke über dem Publikum. Spätestens jetzt waren die Zuschauer total aus dem Häuschen! Die Szene war so temporeich und bunt wie im Zeichentrickfilm, alle tanzten und sangen, sodass Dschinni am Ende total außer Atem war. Er stützte sich auf seine Knie und wandte sich keuchend ans Publikum: "Schnappatmung … Ich bin gleich wieder bei euch … Atemlos durch die Nacht!"

Doch Aladdin bezweifelte, das der Geist ihn aus der Höhle befreien konnte. Vollkommen entrüstet ließ sich Dschinni das nicht zweimal sagen und öffnete den verschütteten Eingang. Aladdin kam auf seine drei Wünsche zu sprechen, aber der Dschinni meinte, das sei eben sein erster gewesen. Aladdin hatte sich jedoch nie offiziell gewünscht aus der Höhle befreit zu werden. "Er hat den Dschinni ausgetrickst!" rief der Geist empört und stellte klar, dass er nur noch offizielle Wünsche akzeptieren würde, denn "Das ist eine Pumphose und keine Spendierhose".

Auf seinen Wunsch hin wurde Aladdin in Prinz Ali verwandelt. Er zog mit Dschinni und seinem neuen Hofstaat zum Palast des Sultans um das Herz von Prinzessin Jasmin zu erobern. Diese war zunächst wenig begeistert und ließ sich erst überzeugen, als der Prinz sie zu einem Ausflug mit seinem fliegenden Teppich einlud. Die Bühne wurde zu einem Nachthimmel mit riesigem Vollmond und funkelnden Sternen und das Paar sang "In meiner Welt" und schwebte auf einem Teppich durch die Luft. Was für eine grandiose Szene! Und überhaupt: Wie funktionierte der Trick mit dem fliegenden Teppich? Das sah wirklich echt aus! Es waren keine Seile oder Halterungen zu sehen. Einfach der Hammer!

Während der ganzen Vorstellung wurde immer wieder tief in die Trickkiste gegriffen: Von mehreren schnellen Kostümverwandlungen innerhalb weniger Sekunden, über Wünsche, die mit sprühenden Funken in Erfüllung gingen, bis hin zu den fulminanten Auftritten von Dschinni, der unter Rauch aus einer Bodenluke aufstieg. Dazu viel Situationskomik und zahlreiche Slapstick-Einlagen, die fast schon exzessiv an allen Ecken und Enden eingebaut wurden. Da wäre vielleicht etwas weniger mehr gewesen, aber das Musical lebte von dem irre schnellen Erzähltempo, den Effekten, den bunten Kostümen und der schillernden Kulisse.

Völlig verzaubert erhob sich am Ende sogar das Publikum von seinen Plätzen und gab Standing Ovations. Man muss allerdings sagen, dass Tobias Weis mit seiner fantastischen Darstellung des Dschinni allen die Show gestohlen hatte. Er kostete diese Rolle voll aus, überzeugte mit perfektem Timing und grandioser Mimik, die oft von einem kumpelhaften Augenzwinkern begleitet wurde. Dazu seine starke Bühnenpräsenz und die tolle Stimme. So bekam er natürlich auch den meisten Applaus. Ob da wohl Magie im Spiel war?
top Δ